Das Haus der Familie Mahler am Semmering

Bereits zu Lebzeiten von entstand der Plan, ein Ferienhaus für die Familie in erreichbarer Nähe zu Wien, genauer am Semmering, bauen zu lassen. In die Entwurfsplanungen, in mehreren Versionen sowie von verschiedenen Architekten angefertigt, wurde auch miteinbezogen und erfuhr im brieflichen Austausch mit bzw. deren Mutter von den Entwicklungsstufen des Entwurfs, bekam Kopien übersendet, gab seinen Kommentar als Architekt dazu ab und überarbeitete schließlich sogar einen der Pläne für das Haus Mahler.

Noch vor seiner Abreise Richtung New York hatte im September und Oktober 1910 verschiedene Grundstücke für ein neues Landhaus besichtigt, zuerst in der unmittelbaren Wiener Umgebung, schließlich in der Nähe von Breitenstein auf dem Semmering in Niederösterreich ( Nr. 19, S. 171 und , S. 7, außerdem , S.144f.). Das Ende 1910 erworbene Grundstück liegt abseits des Ortes mit direktem Blick auf den Berg Rax im Westen und war ursprünglich mit einem Bauernhof und Scheunen bebaut, die zuerst versetzt werden mussten (AMo5). wurde mit der weiteren Planung des Landhauses betraut und fertigte auch die erste Skizze für das Haus an, die seine an übersandte (AMo4, AMo5 und Beilage: : , Inv.-Nr. , ). In der Folge wurde der bekannte Wiener Architekt , dem durch die Wiener Sezession nahestand, mit der weiteren Planung beauftragt und überführte die erste Skizze von in zwei eigene Entwürfe, von denen der erste im Nachlass in der Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek, Wien erhalten ist.

Sowohl als auch entwarfen dabei ein Haus, das sich in die umgebende Landschaft einfügen sollte: ein solides Landhaus mit regionalem Bruchstein in der Sockelzone der Fassade, kleinen Fenstern und einem dominanten Walmdach. Das zweigeschossige Haus wurde U-förmig angelegt und bildete so einen vom rauen Bergklima schützenden Hof (, Musiksammlung, Misc. 81/1). In einem zweiten Entwurf, der heute anscheinend nur noch in einem von Anna Moll durchgepausten Blatt überliefert ist (AMo7, : , Inv.-Nr. , ), gestaltete das Haus alternativ als Hochparterre-Bau. Sowohl wie schienen jedoch von dieser Konzeption nur wenig beeindruckt. zeigte sich vor allem gegenüber dem tief heruntergehende[n] große[n] Dach skeptisch, bemerkte künstlerisch wenig Dach sei ihm sympatischer, da einer vom Dach dominierten Fassade Größe u[nd] Vornehmheit in der Wirkung des Gebäudes verloren ginge und es so dem Bauern Haus immer ähnlicher gerate (WG120). Weiterhin betonte er, Geschmack entspräche seinem: Sie schätzte mehr das erhabene, wie das niedliche (WG120), ein Anklang an die Vorstellung monumentaler Architektur seines Lehrers , die ihn Anfang 1911 besonders intensiv beschäftigte (, S. 217–221). Urteil fiel noch deutlicher aus: Ich finde das Herauswachsen eines Hauses aus der „Gegend“ ist ein Blödsinn. Natürlich werde ich auf den Semmering kein chinesisches Thürmchenhaus hinsetzen, aber wir sind keine Bauern – und ich will lieber mehr Badezimmer, statt eines großen Daches haben – wir sind verwöhnte Allerweltswohner – der öster.[reichische] Bauer ist uns eher zuwider als sympatisch (AM63). Gerade während ihrer Zeit in den USA schien dabei eine Vorliebe für amerikanische Architektur entwickelt zu haben, vor allem für den von ihr so genannten mexikanischen Colonialstyl (AM63), heute unter dem architekturhistorischen Fachbegriff Spanish Colonial Revival bekannt. Die österreichische Architektur mit ihren Villchen – die zwischen Pallast [!] und Bauernhof herum \hin & her/ pendeln (AM63), lehnte sie gegenüber ab und schien entschlossen, das Haus auf dem Semmering von einem amerikanischen Architekten bauen zu lassen, weil ich kein Vertrauen zu den Wiener Lumpern habe (AM49).

Als im Juni 1913, zwei Jahre nach dem Tod , schließlich die Baugenehmigung für das Haus Mahler erteilt wurde, führten drei Österreicher den Bau aus: der für den Entwurf hauptverantwortliche sowie und . Der finale Entwurf weist zwar ebenfalls ein dominantes, tief heruntergezogenes Krüppelwalmdach auf, jedoch trägt die zurückgesetzte und von Säulen getragene Veranda neoklassizistische Züge (, S. 42).

Innerhalb des Briefwechsels zwischen und schien die architektonische Planung des Hauses Mahler immer wieder als eine Art Verbindungsglied zu fungieren. So bezog vor allem während ihres USA-Aufenthaltes besonders intensiv in die Pläne mit ein, versprach sogar, früher nach Europa zurückzukommen, angeblich wegen des Hausbaues am Semmering (AM47). Als sich und im Oktober 1911 auf dem Semmering trafen, zeigte sie ihm außerdem das Grundstück, wo er ihr den Grund abschritt (undatierter Brief von an vom ca. Januar 1915, , Inv.-Nr. ). Als die Beziehung ab dem Herbst 1911 zunehmend erkaltete und sich beide voneinander distanzierten, nutzte das Haus Mahler, um den Kontakt wiederzubeleben und bat ihn, die total verhauten Pläne für mein Hauserl zu überarbeiten (AM131). Offensichtlich kam der Bitte nach, obwohl seine Überarbeitungen heute nicht mehr erhalten sind, woraufhin einen Monat später begeistert versprach: Deine Pläne sind wunderschön. Ja – gerade so lasse ich es bauen (AM132). Das Haus Mahler wurde Ende 1913 fertiggestellt (: , Inv.-Nr. ). verbrachte dort den Jahreswechsel 1913/1914 mit .

A

Abb.: Carl Moll, Entwurf für das Haus Mahler am Semmering, Erd- und Obergeschoss-Grundriss (1910), abgezeichnet von Anna Moll, Beilage zu AMo5. Beschriftung Grundriss Erdgeschoss, von oben links gegen den Uhrzeigersinn: Diener, Köchin, Küche, Speise, Waschküche, Hof, Fremden[zimmer], Bad, Fremden[zimmer], Speisezimmer, Terrasse | offene | Veranda, Wohnzimmer, Glasgang; Beschriftung Grundriss Obergeschoss, von oben links gegen den Uhrzeigersinn und mit (falscher) Angabe der Himmelsrichtungen: Gucki, Alma; Bad, Gustav, Almas Studio, Stubenmädchen, Bonne; rechts oben Bleistiftnotizen von WG: Speisezim[mer] Nord- | seite legen | Eingang | Bad über- | einander | Hof quadrat.[isch] gestreckte Lage | Verhältnis d. | ganzen Grundrißes, auf Blattrückseite Zimmerbeschriftung in Bleistift von WG: Diener.

B

Abb.: Josef Hoffmann, Entwurf für das Haus Mahler am Semmering, Hochparterre-Variante
(1910/1911), durchgepaust von Anna Moll, Beilage von AMo7. Beschriftung von links oben gegen den Uhrzeigersinn mit falscher Angabe der Himmelsrichtungen: Kind, Gouvernante, dreimal Wandk[kästen], Wohnen, Speisezimmer, für Kammer eine Spindtür unten, Eingang, Diener, Speise, Küche, Kastanie, Hof, Herr, Bad, Bad, Wandkästen, Frau.

C

Abb.: Unbekannt, Ansichtskarte, Haus Mahler am Semmering, Architekt Hartwig Fischel (1914).